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Kniffe für die Mehrbesseren

HandelsZeitung, 30 Juin 2004
Daniel Hügli

ZuzÜge · Pauschalabkommen, bilaterale Verträge, EU-Gerichtsentscheide: Die Schweiz wird für reiche Ausländer immer attraktiver. Mit dem Entgegenkommen der Behörden.

Komfortables Schloss aus dem 17. Jahrhundert, hübsches Gästehaus, repräsentativer Hofplatz, Pächterhaus, Garagen und Pferdeboxen.» Das Anwesen «unweit des Genfersees» lässt keine Wünsche offen. Auf 30 Hektaren gibts auch Wiesen, Wald und eine eigene Quelle. Kostenpunkt: 8,8 Mio Euro, rund 13,3 Mio Fr. Ausführliche Unterlagen gehen diskret auf schriftliche Anfrage zu. Und unverblümt wird im Inserat des Hochglanzmagazins noch vermerkt: «Ausländische Staatsbürger haben die Möglichkeit, über attraktive Steuerprivilegien zu verhandeln.»

Pauschalbesteuerung zieht
In der Tat: In die schöne Schweiz zieht die ausländische Prominenz nicht nur, weil das Land «eine sehr starke Währung hat, Gewaltverbrechen fast nicht existent sind und die Reichen und Berühmten ihr Leben in Frieden geniessen können», wie die Lausanner Firma Micheloud, spezialisiert auf niederlassungswillige Ausländer, auf ihrer Website wirbt. Auch die Steuerflucht bleibt verlockend - oder wie es Micheloud formuliert: «Wenn Sie in Ihrem Land Geld mit irgendeiner legalen Aktivität verdient, es aber nicht versteuert haben, geht uns das nicht nur nichts an, auch das Schweizer Gesetz wird Ihr Geld vor neugierigen Blicken bewahren.»

Indes: Erstes Lockmittel für wohlhabende Ausländer ist inzwischen die Pauschalbesteuerung. Sie bemisst sich nicht nach Einkommen und Vermögen des niederlassungswilligen Ausländers, sondern nach dem so genannten Lebensaufwand. In der Schweiz gibt es über 3000 Pauschalabkommen mit Ausländern, Tendenz steigend. Vor allem die Kantone Waadt (über 1000 Abkommen), Wallis (fast 700), Genf und Tessin (je über 500) rollen dem ausländischen Geldadel den roten Teppich aus.

Die Ufer des Lac Léman sind die eigentliche Goldküste der Schweiz. Die Liste der internationalen Prominenz, die sich in der Region niedergelassen hat, ist lang: IKEA-Gründer Ingvar Kamprad (laut «Bilanz» mit einem Vermögen von 15 Mrd Fr.), Formel-1-Flitzer Michael Schumacher, Reederei-Erbin Athina Onassis oder Popsänger Phil Collins. Allerdings haben die Kantone weit gehend aufgehört, Zahlen über die neu vereinbarten Pauschalabkommen mit Ausländern zu verbreiten. «Wohl um den Wettbewerb unter sich nicht noch weiter anzuheizen», sagt Steuerexperte Richard Wuermli, Partner der Zürcher Beratungsfirma Tax Expert International.

Beim Pauschalabkommen richtet sich der Ausländer beziehungsweise dessen Anwalt an die kantonale Steuerbehörde oder an den entsprechenden Regierungsrat, um den Lebensaufwand zu ermitteln. Da dieser bei reichen Leuten in der Regel schwierig zu beziffern ist, beläuft sich das Abkommen zumeist auf das Fünffache einer Miete oder des Mietwertes des Hauses. Bei Luxusvillen wird der Ausländer auf einen möglichst tiefen Mietwert pochen - zumeist mit Erfolg, der Verhandlungsspielraum ist gross.

Der Pauschalbesteuerte darf in der Schweiz zwar nicht erwerbstätig sein. Als «Gegenleistung» interessiert sich der Schweizer Fiskus dafür nicht für das Vermögen und die Einkünfte im Ausland. Schumacher (ge-schätztes Vermögen: 900 Mio Fr.), der in der Schweiz keine Rennen fährt und somit nicht erwerbstätig ist, zahlt im Waadtland dank Pauschalbesteuerung nach Medienberichten weniger als 10% des Betrages einer Besteuerung nach kantonalen Richtlinien. Das nervt nicht nur die Deutschen und die politische Linke in der Schweiz, sondern auch den Schweizer Steuerzahler mit fettem Portemonnaie.

Der Medienhype rund um Ex-Tennisstar Boris Becker und Molkerei-König Theo Müller, die beide letztes Jahr in die Schweiz gezogen sind, machte reiche deutsche hellhörig. «Wir haben vermehrt Anfragen aus dem Deutschen Raum», sagt ein Steuerexperte einer internationalen Beratungsfirma. «Von zehn Anfragen konkretisiert sich jedoch in der Regel nur eine.» Viele vermögende Deutsche seien sich nicht bewusst, dass sie ihre Zelte in Deutschland vollständig abbrechen müssten, um Schweizer Steuervorteile zu erhalten.

Trotzdem: Der Wegzug aus dem Heimatland könnte sich für EU-Bürger in Zukunft erleichtern. Der Europäische Gerichtshof stellte kürzlich fest, dass die Wegzugsbesteuerung in Frankreich gegen die Niederlassungsfreiheit nach dem EU-Vertrag verstösst. Damit ist klar, dass auch die deutsche Wegzugsbesteuerung fallen wird. Zwar rechnet Wuermli von Tax Expert International nicht damit, dass die Steuer auch bei direkten Umzügen in ein Drittland wie die Schweiz eliminiert wird. Aber eine Extraschlaufe über Belgien oder Österreich, welche die Steuer nicht oder nur begrenzt kennen, dürfte einen Einzug in die Schweiz für Deutsche und Franzosen erheblich erleichtern.

Lex Koller am Bröckeln
Die vereinfachte Einwanderung ist bereits seit den bilateralen Abkommen über Personenfreizügigkeit in Kraft. Auch jüngere EU-Bürger dürfen sich seit Mitte 2002 in der Schweiz niederlassen. «Die Bilateralen haben keine exorbitante Zuwanderung gebracht, haben aber einiges vereinfacht», sagt Thomas Gehrig, Rechtsanwalt bei der Globalgate AG in Zürich. Er erwähnt als Beispiel einen jungen IT-Spezialisten mit einem Einkommen von 1,5 Mio Euro, aber wenig Vermögen. Ist er ständig im Ausland tätig, wird er sich je nach Kanton auch für eine Pauschalbesteuerung stark machen.

Mit den bilateralen Abkommen bröckelt auch die Lex Koller, die mit Holdingstrukturen schon vorher elegant umschifft werden konnte. Denn hat ein EU-Bürger einmal seinen Wohnsitz in der Schweiz, kriegt er beim Immobilienkauf die gleichen Rechte wie ein Schweizer. Auch auf Gemeindeebene hat man die Zeichen der Zeit erkannt: Die Gemeinde Flims hat sämtliche Beschränkungen des Immobilienerwerbs zu Ferienzwecken für Ausländer aufgehoben - ob sie nun in der Schweiz wohnen oder nicht.

Pauschalbesteuerung «Lex Blocher»
Laut Bundesrat Christoph Blocher sollte es den Kantonen erlaubt sein, nicht nur Ausländer, auch vermögende Schweizer pauschal zu besteuern. Nach Blocher könnten so der Schweiz gute Steuerzahler erhalten bleiben. Ob auch Privatmann Blocher unter eine solche «Lex Blocher» fallen würde? Moralische Bedenken gegen die Pauschalbesteuerung äusserte vor vier Jahren Blochers Bundesratskollegin Micheline Calmy-Rey. Als damalige Genfer Finanzdirektorin wollte sie die 60 Mio Fr. jährlichen Einnahmen nicht missen - und lehnte ein Ansinnen der Linksallianz zur Abschaffung der Pauschalsteuer ab. (dhü)


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