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Privileg für Schumi und Co. in Frage gestellt

Tages Anzeiger, September 11, 2004
Annetta Bundi

Für reiche Ausländer ist die Schweiz äusserst attraktiv: Sie können mit den Behörden pauschale Steuerabkommen aushandeln. Nun sorgt diese Praxis für rote Köpfe.

Obschon Michael Schumacher inzwischen über ein geschätztes Vermögen von 800 Millionen Franken und ein jährliches Einkommen von 100 Millionen verfügt, wird der im Waadtland wohnhafte Rennfahrer vom Fiskus überaus zuvorkommend behandelt. Das liegt vor allem an der pauschalen Besteuerung, von der all jene profitieren, die bei uns juristisch gesehen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Da in der Schweiz keine Formel-1-Rennen stattfinden, fällt Schumacher in diese Kategorie - zusammen mit 3045 weiteren Personen, wie neue Zahlen zeigen.

Mietwert entscheidend
Das stösst vielen sauer auf: Die Vertreter der Linken sind überzeugt, dass solche Spezialabkommen der Steuergerechtigkeit widersprechen und das Prinzip unterlaufen, wonach alle in der Schweiz wohnhaften Personen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erfassen sind. Selbst Bundesrat Christoph Blocher empfindet die Pauschalbesteuerung als problematisch - allerdings plädiert er nicht für deren Abschaffung, sondern möchte sie auch vermögenden Schweizern offerieren, wie er nach seiner Wahl in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» erklärte. Tatsächlich führt die heutige Praxis dazu, dass der im Waadtland wohnhafte Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher anders behandelt wird als der Baselbieter Tennisstar Roger Federer.

Kanton Waadt ist äusserst kulant
Jetzt muss die Politik entscheiden, ob dieses Privileg weiterhin aufrechterhalten werden soll. An der Wirtschaftskommission des Nationalrates liegt es, nächste Woche über dessen Abschaffung zu befinden. «Die Pauschalbesteuerung ist ungerecht. Sie höhlt die Steuermoral aus», kritisiert SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer, die mit einem Vorstoss die ganze Debatte ausgelöst hat. «Solche Regeln zementieren zudem den Ruf der Schweiz als Steuerumgehungsparadies.»

Tatsächlich werden reiche Ausländer gleich mehrfach bevorzugt, denn die pauschalen Abkommen beruhen darauf, dass die Steuer nicht nach den tatsächlichen Einkünften, sondern nach den Lebenshaltungskosten berechnet wird. Da die Ausgaben für das Essen, Autos, private Jets und die Unterkunft nicht genau eruiert werden können, wird in der Regel einfach das Fünffache des Mietzinses oder des Mietwertes als steuerbares Einkommen angenommen. Im Ausland erwirtschaftete Einkünfte bleiben unberücksichtigt - die Progression entspricht damit nicht dem gesamten Einkommen und Vermögen.

Allerdings machen nicht alle Kantone von der Pauschalbesteuerung Gebrauch. Gemäss einer Ende August von der Steuerverwaltung aufgestellten Statistik verzichten 13 Stände auf derartige Abkommen. Bern, Freiburg, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Zug und Zürich haben mit 225 Personen entsprechende Vereinbarungen getroffen. Die grosse Mehrheit der insgesamt 3046 pauschal besteuerten Personen wohnt indes in den Kantonen Graubünden (222), Tessin (405), Genf (430), Wallis (586) und in der Waadt (1172), wie die Wirtschaftszeitung «Cash» im Frühling ermittelt hat. Das steuerbare Einkommen beträgt im Schnitt vergleichsweise bescheidene 238 000 Franken.

Zahlreiche Berater werben heute offen mit der Pauschalbesteuerung um neue Kunden: «Es wird nicht einmal von Ihnen erwartet», heisst es etwa auf der Website der Lausanner Firma Micheloud & Cie, «dass Sie Ihr Einkommen oder Vermögen angeben.» Der zu zahlende Steuerbetrag «steht nicht in Bezug zu Ihrem tatsächlichen Einkommen oder Vermögen». Unerwähnt bleibt, dass gewisse Steuerämter reiche Ausländer erst ab einer ganz bestimmten Einkommenslimite privilegieren. «Ansonsten treten sie auf Verhandlungen gar nicht erst ein», bestätigt Richard Wuermli, Steuerexperte.

Von den Rentnern zu den Playboys
Ursprünglich war die Pauschalbesteuerung für reiche Rentner vorgesehen, die in der Schweiz ihren Lebensabend verbringen wollten. Doch seit das bilaterale Abkommen über die Personenfreizügigkeit in Kraft ist, versuchen auch junge, vermögende EU-Bürger mit den Behörden ins Gespräch zu kommen. Die «Playboy»-Klausel, so Wuermli, habe das Interesse nach pauschalen Vereinbarungen sprunghaft ansteigen lassen: «Meist sind es Ausländer mit einem starken emotionalen Bezug zu unserem Land: Sie haben hier eine Privatschule besucht oder von klein auf ihre Ferien bei uns verbracht.»

Dass die Pauschalbesteuerung nun zur Disposition gestellt wird, ärgert die Steuerberater. Der Finanzplatz Schweiz dürfe nicht geschwächt werden, fordern sie - und verweisen auf die Privilegien, die etwa reichen Russen in London eingeräumt werden.

 


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